Leitgedanken
Alle pädagogischen Tätigkeiten und Konzepte in pädagogischen Handlungsfeldern zielen auf Veränderungen bei Menschen. Das gilt unabhängig von dem Personenkreis oder einem speziellen Arbeitsfeld. Damit ist pädagogische Arbeit immer ziel- und wertorientiert. Für die GKSO und ihre Mitglieder ergeben sich die hierfür erforderlichen Bezugs- und Orientierungspunkte einerseits aus den Kernannahmen der Humanistischen Psychologie von Ruth Cohn und Carl Rogers sowie andererseits aus den Kernannahmen der Psychologie des reflexiven Subjekts (Groeben & Scheele): Menschen werden als potentiell rationale und reflexive Subjekte verstanden, die sich in ihrem Denken und Handeln an Sinn und Bedeutung orientieren.
Das bedeutet, dass pädagogisches Handeln immer so zu konzipieren und auszuführen ist, dass Menschen in ihrem Rationalitäts- und Reflexivitätspotential sowie in ihrer Autonomie und Kommunikationsfähigkeit gestützt und gestärkt werden. Das erfordert den Respekt und die prinzipielle Wertschätzung ihrer Person ebenso wie die Sicherstellung von transparenten Situationen. Das Beziehungsverhältnis zu ihnen ist in dem Sinne kollegial zu gestalten, als Lehrkräfte, Supervisoren und Coaches, Vorgesetzte und Ausbilder, Schul- und Studienleiter von den ihnen anvertrauten Menschen die Einhaltung und Befolgung solcher Regeln und Prinzipien verlangen, die für sie selbst die gleiche Geltung haben. Mit anderen Worten: Mit dem Begriff kollegial verbindet sich die Vorstellung, dass alle pädagogischen Konzepte und Maßnahmen dem so genannten Selbstanwendungsprinzip genügen müssen.
Durch die Orientierung an den Menschenbildannahmen des potentiell rationalen und reflexiven Subjekts und den daraus abgeleiteten Handlungsprinzipien wird es möglich, für pädagogisches Denken und Handeln eine kohärente Sicht zu gewinnen, gewissermaßen eine Pädagogik aus einem Guss zu entwickeln. Dieser Gewinn kann angesichts der konzeptionell zersplitterten Erziehungswissenschaft als gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Die sich daraus ergebende Orientierungs- und Handlungssicherheit erweist sich als ein großer Vorteil für die pädagogische Arbeit in Schulen, in der Lehrerbildung sowie in allen anderen pädagogischen Handlungsfeldern. Die gute Resonanz, die die Mitglieder der GKSO bei ihren Beratungen sowie bei ihren Aus- und Fortbildungen erhalten, erweist sich als überzeugende Bestätigung der Tatsache, dass die Orientierung an geklärten anthropologischen Kernannahmen den Kompetenzen und der Professionalität in der Pädagogik voll zugute kommt. Die GKSO organisiert darüber hinaus regelmäßige Fort- und Weiterbildungen für ihre Mitglieder und interessierte Gäste. Diese basieren immer auf der Grundlage der genannten anthropologischen Kernannahmen.
Die auf den humanistischen Menschenbildannahmen basierende kohärente pädagogische Sicht bzw. die Pädagogik aus einem Gusserweist sich insbesondere in der Lehrer-(Fort- und Weiter-)bildung von großem Vorteil. Denn nun gelten für die Gestaltung des Unterrichts sowie für die Gestaltung der Aus- und Fortbildungsveranstaltungen dieselben Regeln und Prinzipien. Das führt zu einem stimmigen Verhältnis von Inhalt und Form. Folglich können im Lehramtsstudium, im Referendariat sowie in der Fortbildung nicht nur viele Inhalte, sondern insbesondere auch die Haltungen verständlich und anschaulich vermittelt werden. Außerdem erhöht die Orientierung an dem bereits oben erwähnten Selbstanwendungsprinzip die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Lehrkräfte ganz erheblich.
Verfahren und Anwendungsbereiche
Das mit der Entstehungsgeschichte der GKSO eng verbundene Verfahren der Kollegialen Beratung und Supervision (KoBeSu) war ursprünglich als ein Selbsthilfeverfahren für Lehrkräfte und Schulleiter konzipiert worden. Da es aber keine Feldkompetenz voraussetzt, wird es inzwischen mit vergleichbarem Nutzen auch von Angehörigen anderer Berufsgruppen eingesetzt. Im Bereich von Schule und Lehrerbildung hat es sich bei Lehramtsstudenten, bei Lehramtsanwärtern und Referendaren, bei Berufsanfängern, bei Seminar- und Studienleitern, bei Schulleitern und Dezernenten immer mit vergleichbaren Resultaten und vergleichbarer Zufriedenheit bewährt. Es gab und gibt auch Gruppen, deren Mitglieder aus unterschiedlichen Statusgruppen kommen. In diesem Fall arbeiten sie jedoch nicht in demselben Arbeitsfeld, begegnen sich also nicht am Arbeitsplatz. Weiterhin hat sich inzwischen die Kollegiale Beratung und Supervision (KoBeSu) auch bei Polizeibeamten, bei Juristen und etlichen anderen Berufsgruppen als Klärungs- und Unterstützungsverfahren für kleine Gruppen bewährt.
Für viele Berufstätige ist es nicht einfach, für gemeinsame Vorhaben geeignete Termine zu finden. Da diese Schwierigkeit auch bei Mitgliedern von Kollegialen Unterstützungsgruppen zutreffen kann, wurden innerhalb der Fortbildungsarbeit der GKSO Klärungsverfahren entwickelt, die sich auch mit zwei Personen durchführen lassen. Sie basieren ebenfalls auf den oben beschriebenen Menschenbildannahmen und folgen daher den gleichen Regeln und Prinzipien wie die Kollegiale Beratung und Supervision (KoBeSu). Sie erlauben es jedoch den beteiligten Personen, sich bei Bedarf schneller für eine Klärungshilfe bzw. eine Hilfe zur Selbsthilfe zu treffen.
Die aus dem Forschungsprogramm subjektiven Theorien für KoBeSu abgeleiteten Grundannahmen und Vorgehensweisen wurden auf weitere Handlungsfelder übertragen.
Menschenbildannahme
Der kollegialen Beratung & Supervision liegen die Menschenbildannahmen und die Zielvorstellungen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien zugrunde.
In ihnen werden Menschen als handelnde Subjekte begriffen, die sich an Sinn und Bedeutung orientieren. Zur Bewältigung ihres Alltages erfinden und benutzen sie Vorstellungen, die als subjektive Theorien bezeichnet werden. Von diesen subjektiven Theorien wird angenommen, dass sie in ihrer Struktur und in ihrer Funktion wissenschaftlichen Theorien gleichen. Das bedeutet, dass Menschen nicht wie Reiz-Reaktions-Organismen angesehen werden, sondern als aktive und konstruierende Personen. Nicht Reizkonstellationen aus der Umwelt bedingen ihr Verhalten, sondern sie handeln vor dem Hintergrund ihrer subjektiven Selbst- und Weltinterpretationen. Es sind also nicht die äußeren Reize, die eine Wirkung auf sie ausüben. Vielmehr wird handlungsrelevant, wie diese mit Hilfe der subjektiven Theorien ausgelegt werden und dadurch eine persönliche Bedeutung erhalten.
Diese Menschenbildannahmen orientieren sich an den Vorstellungen, die wir von Forschern und Wissenschaftlern haben. Diesen unterstellen wir nämlich das Potenzial zur Autonomie, zur Rationalität, zur Reflexivität und zur Kommunikationsfähigkeit. Entsprechend wird auch allen anderen Menschen als Subjektiven Theoretikern die Fähigkeit zur Autonomie, Rationalität, Reflexivität und Kommunikation zugebilligt. Die Annahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien besagen allerdings nicht, dass Menschen immer autonom, rational, reflexiv und kommunikativ handeln. Jedoch – so wird angenommen – verfügen sie wie Forscher und Wissenschaftler über das Potential dazu. Daraus ergibt sich nicht nur für Beratung und Supervision, sondern generell für alle pädagogischen Maßnahmen der Anspruch, sie in ihrer theoretischen Konzeption wie in ihrer praktischen Ausführung so zu gestalten, dass die jeweiligen Personen darin unterstützt und gestärkt werden, immer häufiger und in immer größerem Ausmaß autonom, rational, reflexiv und kommunikativ handeln zu können.